Umsatzsteuer bei grenzüberschreitenden Leistungen
Beim Thema Steuern denken Unternehmer in erster Linie an Ertragsteuern wie Einkommensteuer, Körperschaftsteuer oder Gewerbesteuer und an Möglichkeiten diese Steuerbelastungen so weit wie möglich zu minimieren. Vor allem bei Betriebsprüfungen erweist sich aber immer öfter die Umsatzsteuer als Belastung. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Leistungen sieht sich der Unternehmer bei wirtschaftlich einfachen Sachverhalten oft mit einer komplizierten umsatzsteuerlichen Beurteilung konfrontiert.
Lässt beispielsweise eine österreichische Versicherungsagentur an ihrem Geschäftsgebäude in Kufstein Bauleistungen von einem in Deutschland ansässigen Bauunternehmen durchführen, kann dies zu Problemen führen. Die Versicherungsagentur wird verpflichtet die österreichische Umsatzsteuer aus diesem Auftrag in Österreich anzumelden und abzuführen. Dies gilt, obwohl die Versicherungsagentur aufgrund ihrer eigenen Tätigkeit von der Umsatzsteuerpflicht befreit ist und somit in der Regel vom Thema Umsatzsteuer nicht berührt wird.
Der deutsche Bauunternehmer wird dadurch von der Meldepflicht in Österreich freigestellt. Er wird jedoch meldepflichtig, wenn er einen Subunternehmer für diesen Auftrag hinzuzieht. Der deutsche Bauunternehmer ist dann verpflichtet sich in Österreich für Zwecke der Umsatzsteuer registrieren zu lassen und die Umsatzsteuer aus der Eingangsrechnung des Subunternehmers anzumelden. Gleichzeitig kann der Bauunternehmer in Österreich die Vorsteuer in selber Höhe geltend machen. Die Meldepflicht für den Bauunternehmer entsteht also nicht für seinen eigenen Umsatz, sondern für den Umsatz des Subunternehmers. Dies gilt unabhängig davon, ob der Subunternehmer in Österreich ansässig ist oder nicht.
Kauft der Bauunternehmer Material für die Bauarbeiten von österreichischen Unternehmen, muss er darüber hinaus darauf achten in welchem Verfahren er den Vorsteuerabzug geltend macht. Ist er in Österreich meldepflichtig, muss der Vorsteuerabzug über die Voranmeldungen im allgemeinen Besteuerungsverfahren durchgeführt werden. Besteht hingegen keine Registrierungspflicht in Österreich kann die Vorsteuer nur über das Vorsteuervergütungsverfahren geltend gemacht werden. Hierzu hat der Bauunternehmer einen Antrag an das Bundeszentralamt für Steuern in Deutschland zu stellen.
Zusätzliche Probleme können sich ergeben, wenn die Finanzämter des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers zu einer unterschiedlichen Würdigung des Sachverhalts gelangen. Dies kann häufig bei nicht klarer Abgrenzung der Art der Leistung vorkommen.
Erschwerend kommt hinzu, dass trotz aller Harmonisierungsversuche weiterhin individuelle Besonderheiten in den nationalen Umsatzsteuergesetzen der EU-Mitgliedstaaten vorliegen. Beispielsweise finden in Italien die Regelungen zum Übergang der Steuerschuldnerschaft meist nur Anwendung, wenn der Leistungsempfänger in Italien ansässig ist. In Österreich kommt es hingegen auf die Ansässigkeit des Leistungsempfängers nicht an.
Jedem Unternehmer mit grenzüberschreitenden Umsätzen kann nur geraten werden, sich bereits vor Auftragsdurchführung mit der umsatzsteuerlichen Beurteilung der jeweiligen Leistungen zu befassen. Dadurch können ungewünschte Mehrbelastungen durch Verwaltungsaufwand, Verzögerungen bei der Rechnungstellung oder Streitigkeiten mit dem Kunden und Lieferanten vermieden werden. Bei nicht eindeutig abgrenzbaren Sachverhalten sollte gegebenenfalls bereits vor Auftragsannahme eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung eingeholt werden, um Rechtssicherheit zu erhalten.